Reiseberichte 2014
Hacienda Santa Teresa
El Consejo, Venezuela, 7. März 2014
Das Familienunternehmen Santa Teresa, dass sich im schönen Aragua-Tal befindet, blickt auf eine über 200 jährige Firmentradition zurück. Der deutsche Einwanderer Gustav Julius Vollmer kaufte 1885 die fast hundertjährige Hacienda Santa Teresa und begann das Anwesen mit dem Erwerb und Einsatz erster Brennerei-Geräte aus Europa gezielt auf die Produktion von Rum auszurichten. 1909 wurde die Marke Ron Santa Teresa registriert, die sich in kürzester Zeit zu dem drittgrössten Brand des Landes entwickelte.
Seitens der Rumlounge hatten wir zu Zweit das Vergnügen die Destillerie im März 2014 besuchen zu dürfen. Startpunkt des Besuchs war der von Santa Teresa ehemalige, 1988 renovierte Bahnhof. Eine charmante "Reiseführerin" in Rugby-Uniform wurde uns für die Besichtigung zur Seite gestellt. Das Motto "Rugby" (Santa Teresa unterstützt auf dem eigenen Anwesen ein Projekt zur Resozialisierung ehemaliger Gefängnisinsassen mittels Rugby-Training und -Spiele) wurde dann bei der gesamten Besichtigung auch in Verbindung mit der Rum-Produktion gebracht.
Die Besichtigung startete in Richtung Cruz de Aragua (der Schneidepunkt mitten in der Zuckerrohr-Plantage und der gesamten Anlage), ging über die Brennerei, die Lagerhalle und die Abfüllerei weiter, wobei bei jedem Stopp etwas zu der Station erzählt wurde und eines der Santa Teresa-Produkte degustiert wurde.
Weitere Eindrücke:
Die Besichtigung endete im ehemaligen Haupthaus, wo alte Brennerei-Geräte und sonstige Werkzeuge ausgestellt waren sowie Räume im alten Einrichtungsstil beibehalten wurden. Am liebsten hätten wir uns in einen der Sessel gesetzt und uns eine Zigarre mit Rum genehmigt...
Das beste der Besichtigung und das absolute Highlight war dann der Besuch der Bodega Privada. In diesem Lagerhaus, das gewöhnlichen Besuchern nicht zugänglich gemacht wird (und zudem auch für die grosse Mehrheit der Mitarbeiter nicht zugänglich ist) werden 137 Fässer mit 25jährigen Rum gelagert. Auf jedem Fass ist der Name des Besitzers mit einer goldenen Plakette aufgeführt. Unternehmen wie Nestlé, Banco Mercantil usw. besitzen entsprechend ein Fass. Innerhalb von drei Jahren muss der Besitzer das Fass in Flaschen umfüllen lassen. Als Rumlounge stehen wir dank hervorragender Kontakte auf der Warteliste und werden hoffentlich bald eins der begehrten Fässer ergattern können... (SW)
Distilerias Unidas SA (Ron Diplomático)
La Miel, Venezuela, 11. März 2014
Im März 2014 fuhren die Mitglieder der Rumlounge Rumania, Sven und Ralf nach Venezuela um die Destillerien Diplomatico und Santa Teresa zu besuchen. Die Reise zu Ron Diplomatico wurde trotz akribischer Vorbereitungen, trotzdem noch zu einem Abenteuer. Schon lange im Vorfeld hatten wir uns namentlich, mit Passkopien und Grösse der Schuhe bei der Brennerei angemeldet und einen Besuchstermin fixiert. In Venezuela angekommen erfuhren wir jedoch, dass der von der Regierung neu eingeführten Feiertag zum Todestag von Chaves unseren geplanten Besuch vorerst verunmöglichte. Ein neuer Termin war schnell gefunden und die Wartezeit wurde mit der vorgezogenen Besichtigung der Destillerie Santa Teresa bestens genutzt (siehe Bericht). Wegen der Demonstrationen und Strassensperren hat unser Reiseveranstalter von „Ecoaventura - Der Wald“ ständig die offiziellen und persönlichen Infos ausgewertet, um trotz der Unruhen und der damit verbundenen Risiken eine sichere Reise zu gewährleisten. Ausgehend vom Basishaus des Veranstalters in den Bergen in der Nähe von Colonia Tovar (eine von deutschen Auswanderern begründete Siedelung) ging die neunstündige Reise dann nach Osten, mit dem Ziel am Vorabend der Besichtigung in einem sehr schönen Eco-Hotel in der Nähe der Brennerei zu übernachten. Nach einem reichhaltigen Frühstücksbuffet fuhren wir am nächsten morgen gestärkt zur Distilerias Unidas SA nach la Miel, wo der wunderbare Rum Diplomatico produziert wird.
In den Ebenen im Nordosten der Anden-Ausläufer, vor den Toren von La Miel und knapp 1.000 km nördlich des Äquators, erstreckt sich die Hacienda Saruro über 1.200 Hektar fruchtbaren Landes auf 1.000 Metern ü.M.. Die Kombination aus dem lokalen Klima, den vorhandenen Wasserquellen und einer fortlaufenden Versorgung mit Rohstoffen (Melasse) schaffen eine ideale Ausgangsposition, um feine Rums für den nationalen und internationalen Markt zu produzieren. Distilerias Unidas produziert ihre eigene Marke Ron Diplomático aber auch die Produktlinie Cacique Ron für Diageo. Neben Rum, ihrem wichtigsten Produkt, werden auch weitere Destillate in speziell ausgebauten Brennereianlagen destilliert, woraus Wodka, Gin und Whisky für den venezolanischen Markt entstehen.
Vor Ort wurden wir von Cesar Alvizu (Marketing) herzlich empfangen und uns wurde im Haupthaus ein zweites reichhaltiges Frühstück gereicht (hätten wir doch vorher nicht so viel gegessen...). Hierbei durften wir die Bar mit einigen ausgestellten Destillaten sowie Zertifikate, Medaillen und Auszeichnungen bewundern. Erst zu Hause in der Schweiz ist mir aufgefallen, dass ich über eine ältere Flasche Diplomático verfüge, die selbst in der hauseigenen Ausstellung fehlte. Anschliessend wurden wir ausführlich mit einem Film mit Sicherheitsanweisungen auf die Besichtigung vorbereitet. Eins vorweg: Wir durften fast alles sehen, es war viel umfassender als erwartet!
Gleich zu Beginn der Tour sahen wir die Lagerstätten und Anlieferung der Melasse. Um die Herkunft und Qualität der Melasse zu gewährleisten, verkauft Hacienda Saruro das Zuckerrohr auf dem Anwesen an die lokalen Zuckerfabriken, die alle ihre Melasse zu Distilerias Unidas SA liefern. Diese sahen wir aus einem Tankwagen in ein unterirdisches Lager fliessen. Mehr als 50.000 Tonnen Melasse wird in diesen Beton-Tanks gelagert, die Fläche darüber sah aus wie ein grosser unebener Parkplatz oder Sportplatz. Wir durften auch die soeben ausgelieferte Melasse probieren. Die Farbe war hellbraun, der Geruch war unaufdringlich …. und es schmeckte ein wenig herb und nicht sehr süss.
Nebst geschichtlicher Instrumente sahen wir verschiedene Brennblasen und einige der sechzehn 100.000 Liter Edelstahl-Gärtanks, in welchem die Melasse in verschiedenen Zyklen zu 7-8% Vol. vergoren werden. Mittels Heiz- und Kühlschlangen wird hierbei die mit Wasser verdünnte Melasse in ein optimales Temperaturfenster gebracht, so dass der Gärprozess schon nach 12, 18 oder 26 Stunden abgeschlossen ist. Auf unserer Besichtigungstour durften wir zudem die Steuerzentrale und das Labor besuchen und hatten die Ehre dem Masterblender Tito Cordero zu begegnen. Im Labor durften wir feststellen an welchen anderen Rums sich Diplomatico orientiert bzw. vergleicht...
Die Besichtigungstour ging dann noch über die "Tonelaria", der Bereich in dem die Fässer ausgebessert, ausgebrannt und für die spätere Abfüllung vorbereitet werden sowie die Lagerhallen mit den entsprechenden Abfüllanlagen. Interessant war hierbei zu beobachten, dass der Rum des öfteren aus den Fässern zwecks Qualitätskontrolle komplett geleert wird, um anschliessend wieder in die Fässer abgefüllt zu werden. Dieser Prozess wird teil-automatisiert durchgeführt: Eine logistische Meisterleistung!
Im Anschluss an die ausgiebige Besichtigung fand an der Bar im Haupthaus ein Master-Tasting mit dem Maestro Ronero Tito Cordero statt. Wir waren schon im Vorfeld gespannt auf den Diplomatico single vintage 1997, der ausschliesslich in Venezuela erhältlich ist (und auch dort kaum noch in Fachgeschäften auffindbar ist). Tito erklärte uns jedes "seiner" Produkte im Hinblick auf Zusammensetzung von schweren und leichten Rums, Alterungsverfahren und weiteren interessanten Fakten. Die Degustation war ein besonderes Erlebnis, in einem sehr persönlichen Rahmen und an so einem wundervollen Ort. Abgerundet wurde dieses Tasting mit einem köstlichen Mittagsessen und einer gepflegten und angeregten Unterhaltung. Im Anschluss haben mit einer guten Zigarre und einem tollen Rum (Diplomático Ambassador) den Nachmittag genossen und uns bei dieser Gelegenheit mit Tito und seinen Mitstreitern für das German Rum- Festival in Berlin verabredet.
Dieser Ausflug hat sich ganz besonders in unserem Gedächtnis und unseren Gefühlen abgespeichert. Seien es die tollen Eindrücke, der besondere Genuss, die offenen und angenehmen Menschen, oder das schöne Klima, alles zusammen ergibt eine aussergewöhnliche Erfahrung, die uns nie mehr zunehmen ist. Tage wie diese, gibt es einfach viel zu selten. Ich möchte mich vor allem bei unseren Veranstaltern, den umsichtigen, humorvollen und aufmerksamen Begleitern Yani und Nao bedanken, die alle Herausforderungen gemeistert haben und uns diese Reise ermöglichten.
Und noch zum Schluss: wir konnten einige Flaschen Single Vintage 1997 erbeuten...
(RS)
